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11.10.2003-03.2004


Arbeiten von Paul Thek und Peter Hujar





TEXTEinformation:

"I wanted the room to look good for people. I was tired of going into galleries and feeling like I was in a Iineup. They're all so brightly Iit and there is no place to sit down, and the gallery people are all peering through their windows - what a hostile environment. So it seemed the first thing to do was to humanize the environment; then you can look at a work of art. And, of course, you do that by turning down the lights, giving people some chairs to sit on, and not having the art restricted in any way."

Paul Thek


Im Sommer 1963 fuhren Paul Thek und Peter Hujar auf Einladung der italienischen Galeristin Topazia Alliata nach Sizilien. Es war nicht die erste, aber die erste gemeinsame Italienreise der beiden jungen Amerikaner.
Hinter ihnen lagen intensive Ausbildungsjahre in der New Yorker Kunstszene. Sie hatten Freundschaften geschlossen und begonnen, sich eine gewisse Bekanntheit zu erarbeiten. Sehr früh waren beide nach Europa gekommen. Etabliert waren sie nicht. Thek hielt sich als Schaufensterdekorateur, Filmvorführer und Puppenspieler über Wasser. Hujar arbeitete in verschiedenen Foto-Ateliers. Beide waren Söhne katholischer Einwandererfamilien. Die von Hujar war sehr arm: Er wuchs auf der Farm seiner ukrainischen Großeltern auf, englisch lernte er erst in der Schule.
Ein paar Minuten vom Stadtzentrum Palermos entfernt liegt der Convento dei Cappucini. Vierhundert Jahre lang werden hier in Katakomben geistliche und weltliche Würdenträger bestattet, nach Geschlecht, Beruf und Rang säuberlich geordnet, alle im Sonntagsstaat, eine schön gekleidete Totenversammlung. Paul Thek schreibt darüber später: "There are 8000 corpses - not skeletons, corpses - decorating the walls, and the corridors filled with coffins. It delighted me that bodies could be used to decorate a room like flowers ... "
In der Cripta entstehen Fotos, die Peter Hujar 1976 in seinen ersten Bildband Portraits in Life and Death aufnimmt. Schon Richard Avedon hatte 1959 in den Katakomben fotografiert. Er versucht später immer wieder, Peter Hujar durch Modeaufträge einen gesicherten Lebensunterhalt zu verschaffen, ohne Erfolg. Anders als die damals In Amerika gängige Modefotografie tut Hujar alles, um von der Fotografie als Medium, von der Oberfläche abzulenken, Die meisten Bilder entstehen mit Stativ, auf mittlerer Distanz, mittig, meist Einzelsujets. Neben immergleichen Requisiten verändert nur das Licht die Motive: Männer, Tiere, wenige Frauen, Kinder, ein paar Cityscapes, zwei Stillleben.
Allen ist die starke Präsenz der Modelle gemeinsam. In einem Katalog über Peter Hujar schrieb Nan Goldin: "Seine Bilder nackter Männer zu betrachten, selbst das eines nackten Babys, lässt mich der Erfahrung am nächsten kommen, wie man sich
in männlichem Fleisch fühlt."
Auch für Paul Thek hat der Besuch Folgen, vor allem für seine Raum- und Körpererfahrung, er empfindet die Katakomben als befreiend: we accept our thingness intellectually, but the emotional acceptance of it can be a joy." Körper, auch der eigene, werden für ihn Objekte, meat, formbare Materialien wie alle anderen. (Das gilt offenbar nicht nur für seine Arbeiten: "to fuck someone is to mold them".) In diesen Jahren entsteht die Reihe der meat pieces und Technological Reliquiaries. Immer ist es Arbeit an und mit menschlichen Körperteilen. Die Kritik erkennt diese Seile von Theks Werken erst mit der Installation The Tomb 1967, in der er zum ersten Mal mit einem Abguss seines ganzen Körpers arbeitet.
Die Welt von Hujar und Thek ist eine Männerwelt. In den Fotos von Hujar sieht man die Grenzen und Verwischungen dieser Welt: Candy Darling, Kinder, (männliche) Tiere. Bel Thek sind von der Männlichkeit oft nur Körperfetzen, Bruchstücke übrig: ein Warrior's Leg, ein Pied Piper's Campfire. Für beide gilt, was William Burroughs über das Verhältnis von Männern und Frauen sagt: "I think that what we call love is a fraud perpetrated by the female sex, and the point of sexual relations between men is nothing that we could call love, but rather what we might call recognition."
Während bei Hujar bis zum Schluß eindeutige Sujets da sind, transportiert Paul Thek in seinen Processions und Bildern eine immer dichtere, private Mythologie mit weitgespannten Bezügen: von einem legendären, schwarzen Bänkelsänger, Bo Jangles, über William Blake bis zu D.H. Lawrence, Hans Küng und Joseph Beuys, den er humorlos und didaktisch findet.
Das Verständnis von Symbolen und Versatzstücken In der Kunst ist für den Betrachter immer ein Problem. Hier war Thek entschlossen intellektuell: "A lot of people get very angry if you're this most verboten of all things - literary; God forbid you should be intelligent. I don't think they understand how much they limit and how much they cut out." Cy Twombly, ebenfalls amerikanischer Expat in Italien, den Thek sehr bewunderte, sagte es ähnlich: "The idea of falling into obscurities or subjective nihilism is absurd - such ideas can only be held by lack of reference or experience."
Bei Paul Thek und Peter Hujar steht nicht das Alltägliche im Vordergrund, sondern das Verfügbare. Hujar zeigt es nackt, ohne Schnörkel, als Realpräsenz. Thek macht daraus barocke Fantasien. In seinem Notizbuch für 1979 steht: "He made a secret art out of what no one wanted anyway." Aber dann: "He made it so nice it was hard not to want it."

Julian Geist



Lebensdaten

George, genannt Paul, Thek, geboren am 2. November 1933 in Brooklyn, N.Y., als Sohn irisch-deutscher Einwanderer. Stirbt am 10. August 1988 in New York an den Folgen von Aids.

Peter Hujar, geboren am 11. Oktober 1934 in Trenton, New Jersey, als Sohn ukrainischer Einwanderer. Stirbt am 26. November 1987 in New York an den Folgen von Aids.



Paul Thek (1935 - 1988) und Pater Hujar (1934 - 1987) waren US-Amerikaner mit
einer starken, Prägung durch ihre Abstammung von europäischen Einwanderern. Beide hatten ihren Lebensmittelpunkt in New York, sind aber gemeinsam in Europa gereist. Vor allem der Besuch der Katakomben von Palermo hat bleibenden Einfluß ausgeübt.
Paul Thek ist in Europa vor allem durch Installationen bekannt geworden. Er hat an der documenta 4 (1968) mit Plastiken und an der documenta 5 (1972) mit einer Installation teilgenommen. Wir freuen uns, eine Übersicht über Theks Malereien und Plastiken zu zeigen, die teils noch nie in Europa zu sehen waren.
Pater Hujar hat ein breit gefächertes Werk von Fotografien - vor allem einfühlsame Darstellungen von Menschen und Tieren - hinterlassen, von denen wir zwölf zeigen.
















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